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"Ich liebe Pfeile" | |||||||||||
Hannes Kater im Gespräch mit Jörg Biesler* | ||||||||||||
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Anmoderation: |
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András Schiff und das Budapest Festival Orchestra unter Heinz Holliger mit Musik von Sándor Veress: Steinsammlung. Aus: Hommage á Paul Klee. Der in unserer Pfeil-Matinee natürlich nicht fehlen darf, weil er oft Pfeile gemalt hat und es für ihn eh ein wichtiges Thema war; mit den Pfeilen. Im Bauhaus hat er zum Beispiel 1922 eine Vorlesung über Pfeile gehalten. |
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B: Dieses Interesse hat er gemein mit seinem Kollegen Hannes Kater der beschäftigt sich ausgiebig künstlerisch mit Pfeilen... Guten Morgen Herr Kater. K: Ja, guten Morgen. B: Wie war denn das eigentlich mit Klee und den Pfeilen? Warum hat der sich so dafür interessiert? K: Mir... muss ich zugeben, mir ist das nicht klar, weshalb er sich dafür interessiert hat. Er war nur der, der als erster das intensiv erforscht und untersucht hat. Er hat sogar etwas entwickelt, das sogenannte Pfeilsegel, mit unterschiedlich langen Pfeilspitzen-Ärmchen, die dann noch mal unterschiedliche Tendenzen darstellen könnten... das hat sich nicht aber durchgesetzt. Aber er war sozusagen der erste, der über den abstrakten Pfeil, also ohne hinten das Gefieder, nachgedacht hat. B: Was sie gerade angesprochen haben, dieser Spezial-Pfeil, der sollte dazu dienen, das die Eindeutigkeit des Pfeiles noch ein bißchen variierbar wird? K: Das sollte eine zusätzliche Tendenz nach unten oder nach oben anzeigen helfen das hat er versucht damit zu erreichen, dass die Längen der Pfeilspitzenarme unterschiedlich waren. Und das war für die öffentliche Situation zum einen nicht notwendig, weil man auch die Pfeilbahn er hat das auch noch tendenziell Pfeilschaft genannt, also die Strecke hinter der Pfeilspitze, die zeigt ja auch eine Richtung an, wenn man das nach oben oder unten zeigen lässt und dann diese Ausdifferenzierung nicht notwendig. Für ihn war das interessant, weil er ja im kleinen Raum gearbeitet hat, im Bildraum. Und da war das noch mal anders wichtig. Und der Pfeil eben [räuspert sich], wenn man den noch mal als Zeichen aufbricht und den noch mal als reine Linienkomposition betrachtet, dann ist so eine Ausdifferenzierung auch interessant. B: Nun beschäftigen Sie sich auch ganz intensiv mit Pfeilen... Ich habe auf ihrer Website gesehen, sie fotografieren sie auch. Da waren ein paar hundert, wenn nicht tausend von verschiedenen Pfeilen, meistens aus Alltagssituationen. Was genau, muss man am Anfang erst mal sagen, ist eigentlich ein Pfeil? Also: wo fängt der Pfeil an und wo hört er auf? Wie ist der definiert? K: Der Pfeil, das Zeichen Pfeil, leitet sich höchstwahrscheinlich ab von der Waffe, dem Waffenpfeil. Vom Bogen oder einer Armbrust: man zeigt mit dem Pfeil auf ein Ziel, er hat eine Pfeilspitze mit Widerhaken, was der große Unterschied ist zum Beispiel zu einer Kugel oder Patrone: eine Kugel ist Rund und hat keine Richtung, eine Patrone hat eine Richtung, aber keine Widerhaken und der Pfeil ist im öffentlichen Raum vertreten, so wie wir ihn heute kennen und wahrnehmen, seit gut 100 Jahren, das ist überraschend kurz... er hat sich überraschend schnell durchgesetzt. Der Pfeil ohne das Gefieder hinten dran, also der abstrakte Pfeil, braucht eine Pfeilspitze und eine Bahn hinten dran: das ist alles. Und funktioniert weltweit. In China, wie bei uns. |
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B: Ja. Der Pfeil sortiert uns auch sozusagen den Alltag, den Straßenraum... auf dem Asphalt. Er zeigt uns, wo wir hingehen oder achten sollen. Möglicherweise. Ist es das, was Sie daran interessiert hat? Dieses Richtung vorgeben? Im Grunde ist es fast eine Art von Befehlston. K: [lacht]: Na... es gibt zwei Aspekte, die mich zum Pfeil gebracht haben. Das eine ist meine persönliche Arbeit ich bin Zeichner und ein Großteil meiner Zeichnungen hat sich entwickelt aus dem, was man automatisches Zeichnen nennt... Telefonzeichnungen; das kennt glaube' ich jeder. Man telefoniert und kritzelt nebenbei, also unachtsam [mit nicht gerichteter Aufmerksamkeit]. Und da entstehen Formen, die man interpretiert und mit denen man weiter arbeitet und wenn man so arbeitet, stellt man fest, dass, wenn man eine Linie macht, eine gakelige Linie, und man macht da eine Pfeilspitze drauf, dann wird die viel wichtiger, viel autoritärer, zeigt eine Richtung an... bedingt auch andere Leserichtungen... als: im Bildraum bewegt man sich ja traditionell nach bestimmten Seherfahrungen und wenn man da Pfeile einsetzt, dann kann man andere Kontexte, andere Lesrichtungen, andere Verbindungen, anzeigen. Das war der eine Grund, weshalb ich mich für Pfeile interessiert habe und der andere Grund war, dass ich als Spaziergänger, nicht Autofahrer und auch eigentlich eher nicht Radfahrer, wenn ich mich im öffentlichen Raum bewege und aus meinem Interesse für Pfeile aus der Zeichnung..., stellt man plötzlich fest, wie viel Pfeile im öffentlichen Raum zu sehen sind. Und wie wichtig das ist für die Art und Weise, wie wir uns da bewegen. Und dann kommt man in eine Situation, wo man feststellt, dass, wenn man sich für Pfeile interessiert, man sich eigentlich gar nicht Pfeil-konform verhält. Weil man nämlich anhält. B: [lacht] |
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K: Statt sich in Bewegung halten zu lassen, oder gar beschleunigen zu lassen, bleibt man stehen und denkt über den Pfeil nach. Wird so zum Hindernis... eigentlich für andere und das macht einfach Spaß. B: [lacht] Das ist ein subversiver Aspekt sozusagen, genau ihrer Arbeit: das Sie dem Pfeil nicht folgen, sondern den Pfeil als solchen in den Blick nehmen und nicht das, worauf er zeigt. Sie verhalten sich sozusagen gegen den Pfeil, könnte man auch sagen... indem Sie sich für ihn interessieren. K: Genau. Das kann man so sagen. Ich habe als Spruch, als Metapher, habe ich gerne den, etwas hinkenden, Vergleich, der aber trotzdem was aufzeigt: man wirft der Frau Merkel ja oft vor, dass sie argumentiert, es läge ein Sachzwang vor. Und das meint: es ist unideologisch, es ist nicht zu hinterfragen, es ist wie Mathematik, es ist... B: Alternativlos. K: ... alternativlos. Und der Pfeil ist im öffentlichen Raum das Zeichen, das Symbol, das praktisch die Äquivalenz zu Frau Merkel ist, in so einer Form der Argumentation. B: Da geht's lang! K: ... da geht es lang. Hinterfrag mich nicht. Ich bin sachlich, ich bin nicht ideologisch, ich bin nicht hinterfragbar. Und da macht es natürlich erst Mal Spaß stehen zu bleiben und zu gucken. Und meine Fantasie ist immer: man könnte stehen bleiben und sagen "Ich folge dir nicht, du bist mir 10 Zentimeter zu kurz". B: [lacht] K: Das ist ein bißchen so wie Beuys: "Ich mag die Berliner Mauer nicht, die müsste 10 cm höher sein, dann wäre sie gut. B: Ja. Den Pfeil zu kritisieren, auch in seiner Eindeutigkeit, die ja eigentlich gar keine Begründung hat, es sind eher Konventionen, die dem zugrunde liegen, aber keine Argumentation. |
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K: Es ist ja so: der Pfeil als Wegweiser ist eben relativ neu... Es gab im 17. Jahrhundert in Preußen so Regeln, wie ein Wegweiser aussehen muss: das waren stilisierte Arme und Hände und das ist noch der Hinweis darauf, das wirklich Menschen ersetzt wurden. Da stand kein Mensch, den man fragen konnte, sondern da war ein Wegweiser, ein Oberarm mit Hand dran. Mit dem Aufkommen vom Autoverkehr gab es plötzlich abstrakte Ziele und wenn man irgendwo in Deutschland losfuhr mit dem Auto und man wollte meinetwegen nach Rom, Italien, das war ewig weit weg... und da half dann ein abstraktes Zeichen für die Richtung. B: Wenn ich mir die Pfeilsammlung bei Ihnen auf der Internetseite angucke, dann bekomme ich das Gefühl, dass Sie ein ambivalentes Verhältnis zu Pfeilen haben. Also: Sie finden die interessant. Und auch schön. Aber Sie sind den Pfeilen gegenüber auch kritisch eingestellt. Sie mögen offensichtlich auch zerstörte Pfeile, die kommen auch vor in Ihren Fotos. K: Ja... das ist ein ganz komplexes Thema. Einmal... aus meiner künstlerischen Arbeit interessieren mich Ambivalenzen und Grenzen. Also: wo hört eine Person auf, als Körper und auch als geistige Idee, wenn man sie neben eine andere Person auf einem Blatt Papier zeichnet. Und wie gibt es da Verbindungen, vor und zurück... und da eignen sich Pfeile auch für Grenzverletzungen, Grenzüberschreitungen. Die Militärkarten waren eine der ersten grafischen Darstellungen, wo wirklich Pfeile eingezeichnet wurden, wie man sie heute auch kennt, für Truppenbewegungen. Das war... im 18. und 19. Jahrhundert gab es das schon. Ein früher, ganz eingegrenzter, Einsatzbereich dieses Zeichens. Und die Ambivalenz, die Fragwürdigkeit, die Doppelbödigkeit, das Janusköpfige, ist in fast allen Transportfirmen-Logos zu sehen: vor und zurück, das zeigen die an, mit Pfeilen. Es Pfeilkreuze, die zeigen gleich in vier Richtungen. Was interessant ist, weil es mal die Pfeilkreuzler gab, das waren Faschisten in Ungarn, die hatten ein Pfeilkreuz als Logo, weil sie halt dachten: wir erobern die Welt. B: In alle Richtungen geht's los, sozusagen. K: In alle Richtungen! B: Sie haben uns gerade erzählt, dass es die Pfeile noch gar nicht so lange gibt, in unserem Straßenraum zum Beispiel, im Alltag und sie uns noch gar nicht so lange vorgeben, wohin wir gucken, zu gehen oder zu greifen haben. Ist es vorstellbar, dass sie auch wieder verschwinden, irgendwann? K: Die Maschinen, die autonom fahren, brauchen höchstwahrscheinlich keine Pfeile mehr, weil die Orientierung werden sie sich nicht holen, aller Wahrscheinlichkeit nach, in dem sie Verkehrszeichen scannen. Dann könnte es so kommen, dass wir vielleicht ganz viele Windkraftanlagen haben, die unsere Landschaft bestimmen, aber die Pfeile werden reduziert werden. Das könnte sein. Aber... mir geht es so, dass der Pfeil so präsent ist im öffentlichen Raum und auch so lebenswichtig, dass man immer wieder auf Werbung reinfällt, die mit Pfeilen arbeitet, weil man sich, im Moment zumindest, es sich nicht leisten kann, ein Pfeil einfach zu ignorieren, weil das Risiko ist immer da: Achtung! Links! Rechts! Oben! Geradeaus! Ich muss erstmal zumindest den Kontext so weit scannen, dass mir klar wird, es besteht keine Gefahr, ich mache nichts falsch sondern da will mir nur jemand was andrehen. Und deswegen wird in der Werbung auch so oft mit dem Pfeil gearbeitet. B: Der Pfeil! Richtungsweiser mit Apellcharakter, würde ich mal versuchen zu resümieren. Danke Herr Kater. K: Bitte, bitte. Gerne. |
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