Projekt Nr. 53
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Was da ist – 7 Fluchtlinien – Galeriehaus Nord, Nürnberg
Ausstellung: 12.5. - 16.6.2013
Rede zur Ausstellungseröffnung am 12. Mai 2013
von
Barbara Leicht, Kunstmuseum Erlangen

Wenn Sie an eine Zeichnung denken, dann fallen Ihnen wohl als erstes Papier und Bleistift ein, mit denen man skizzieren, kritzeln oder aber durch Linien die Welt feinsinnig erforschen kann.
Eine künstlerische Technik mit Höhepunkten quer durch die gesamte Kunstgeschichte.
Nun stehen Sie vor fünf eingestellten Wänden, die mit einer ganzen Menge von zunächst wirren Symbolen und Attributen versehen sind. Kein Fitzel Papier, kein Karton, kein Bleistift, keine Tusche. Keine Schraffur, keine Plastizität, kein Schatten.
Stattdessen teils rätselhafte, teils erkennbare Dinge, auf Styropor zeichnerisch exakt umrissen und ausgeschnitten, aufgespießt und arrangiert.
Hannes Kater, der Verursacher dieser Raum füllenden Installation ist Zeichner, Raumzeichner, konzeptioneller Zeichner.

Kater wurde 1965 in (West) Berlin geboren, er lebt und arbeitet dort. Nach einer Lehre zum Theatermaler studierte er an der Hochschule für Bildende Kunst in Braunschweig unter anderem bei Johannes Brus, Matt Mullican und Raimund Kummer.
Sein Faible fürs Theater, also zu seinem Erstberuf, lässt sich nicht von der Hand weisen, baut Kater doch für seine mitwirkenden Zeichen, die er Darsteller nennt, eine bühnenartige Situation, auf der sie szenisch agieren können. Das statische Moment der Installation wird von den vielen Ebenen, den vielen symbolischen Verweisen aufgehoben und verlangt vom Betrachter das Begehen und Umschreiten. Die Bewegung macht eine Veränderung dessen möglich, was zunächst nur auf die Schnelle wahrgenommen wurde.
Ein Happy End gibt es hier allerdings nicht, keinen tragischen Ausgang, aber auch keine abgeschlossene Geschichte. Die Szenen entspringen verschiedenen Themenfeldern, die miteinander in Beziehung gesetzt werden. Sie sind trivial und gleichzeitig hochkomplex und steigern durch die Anordnung im Raum und die Tatsache, dass sie zur Kunst erhoben wurden ihre Bedeutung.

Katers Inhalte sind ebenso alltäglich wie seine Materialien: die Themen „Fernsehen und Schlafen“ oder „Nähe und Knochen“, das Styropor und die popeligen Schaschlikstäbchen, dazu die superschmale Palette von Rot und Blau und Schwarz und Weiß.
Kater legt großen Wert auf formale Ästhetik und arbeitet mit hoher Akkuratesse. Wohl auch daher rührt neben der sicheren Linie die Form- und Farbreduktion.
In der Installation reagieren die Realitätsfragmente der sog. Darsteller mit- und aufeinander. Sinnzusammenhänge öffnen sich vieldeutig für den Betrachter, der seine eigenen Geschichten ersinnen soll, denn sonst wäre Kater eine zu didaktische Kunst vorzuwerfen. Dem ist jedoch nicht so. Abgesehen von der komplexen Konstruktion der Raumzeichnung, wollen die vielschichtigen Szenen begangen und gelesen werden. Keine Ausstellung, die man schnell im Vorbeigehen wie Fast Food mitnimmt.

Eine scheinbar organische Situation entsteht, ein Laboratorium, in dem Kater Kontexte des täglichen Lebens mit all dem Sinn und Unsinn und der Normalität seiner modernen Ausprägungen untersucht. Die Bühnenschau zeigt eine Staffelung von Augenblicken, die das Gehirn in die Wahrnehmung einspeist und Aktivitäten provoziert oder hemmt. Schnelle Abfolgen von Situationen, so wie sie vielleicht im Unterbewusstsein gespeichert sind.
Im ironischen Titel „Was da ist – Sieben Fluchtlinien“ verweist der Künstler neben den Gegebenheiten unserer heutigen Welt auf die assoziative Zahl sieben und Fluchtlinien, die die Perspektive in der Malerei seit der Renaissance definieren, ihm jedoch zu eng sind und zu restriktiv, um einen freien Ausdruck entwickeln zu können.
Sein formales Interesse zeigt sich in organisierten Strukturen und deren Interaktion im Raum.
Seine inhaltliche Absicht ist es, ein frei interpretierbares Assoziationskonstrukt zu schaffen, das lyrische Tendenzen zeigt, und keine Dos and Don'ts einer Bedienungsanleitung.
Wörter eines Gedichts kann Hinweise geben oder eben die Darsteller in Katers Werken. Die Interpretation ist jedem freigestellt.
In allen seinen Situationsbeschreibungen ist ihm insbesondere der Mensch wichtig, da er systemimmanent ist. Er zeigt sich oft als zentrales Motiv in den Arbeiten, natürlich auch, weil der Protagonist als größtes „Symbol“ erscheint und dessen Figuration stark reduziert inmitten der Bühnenbildsymbolik agiert. Arme und Beine, das hörnchenförmige Hirn, ab und zu zeigen sich Varianten der Darsteller, um Situationen zu verstärken oder abzuschwächen, oder diese positiv oder negativ zu tendieren.

Der Künstler beruft sich bei den Darstellern, also all seinen Symbolen, nicht auf die Kunstgeschichte. Zwar wiederholen sie sich wie in der Ikonografie, sind jedoch selbst entwickelt, eine Art Piktogramm also. Die Darsteller können vielseitig eingesetzt werden, sie reagieren miteinander und der Künstler beobachtet, was dabei geschieht. Dies klingt ein wenig paradox, denn eigentlich sind die Bedeutungen für ihn persönlich festgeschrieben. Für den Betrachter sind sie aber variabel und inhaltlich formbar. Daher leitet der Künstler das Verständnis der Inhalte an, denn der Betrachter muss das System kennen, um es decodieren zu können.
Manches mag dieser erkennen und kann es zumindest ein wenig deuten, vieles allerdings bedarf einer Übersetzung durch das Katersche Wörterbuch [dem Darstellerlexikon, welches online hier zu finden ist], dem sogenannten Darstellerlexikon, von dem ein Auszug hier im Raum montiert wurde. Jedes Symbol steht für einen Begriff, der vom Künstler definiert wurde und auf Eigenschaften des Menschen, sein Tun und seine Lebenswelten hinweist. Hannes Kater legt Bedeutungen fest, jedoch funktionieren seine Bildräume nie eindeutig oder linear.

Katers künstlerische Handschrift findet sich in der reduzierten Formsprache seiner Cuts und der formalen Ästhetik, auf die der Künstler großen Wert legt. Sein Werk ist authentisch, zudem fühlt man seine Freude am Zeichnen, dem Arbeitsprozess und der Beobachtung.
Plakativ ist das Arrangement der Versatzstücke allemal. Komplex, aber erlernbar, wie eine Urschrift, frei von Grammatik, voll von Hinweisen auf Zusammenhänge.
Die Linien, die Darsteller, die Installation im Raum, dazu unsichtbar, aber hörbar der
Sound von Stephen Ruß aus Berlin [mehr hier] und die Stimme des Künstlersohnes, die der Raumzeichnung eine weitere Ebene verleihen.

Es liegt nun an Ihnen, die Bildkonzepte Hannes Katers zu erfahren und zu lesen.
Nehmen Sie sich Zeit dafür, kommen Sie am besten nochmals und erleben Sie Zeichnung mal ganz anders.

Lieber Hannes Kater, ich wünsche Ihrer Ausstellung den verdienten Erfolg und viel Beachtung von Presse und Publikum
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.



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